Was war das für ein Haus?

 Seit der Einweihung im Jahr 1902  wurde in diesem Haus  gefeiert, getanzt, diniert, debattiert, Wohltätigkeit verrichtet  . . .

Postkarte der mit der Abbildung des Neubaus der Frankfurt-Loge

Titel des Objektes: Frankfurt Loge: Kleines Schrifttum  
Datierung: Beginn des 19. Jahrhunderts
Material: Papier, Zeichnungen, Drucke
Maße: verschieden
Standort: Sammlung Frankfurt und Seltene Drucke, Universitätsbibliothek Frankfurt am Main
Signatur: Soc. Ff. Logen 608, Nr.1-5,1.

Carla Malsch

Dieses Gebäude, gelegen an der Eschersheimer Landstraße 27, war besonders. Darin wurde gefeiert, getanzt, diniert, debattiert, Wohltätigkeit verrichtet…und das seitdem es 1902 eingeweiht wurde:

Es war das Haus der 1888 gründeten jüdischen Frankfurt Loge, die dem B’nai B’rith Orden angehörte. Dieser war am 18. Oktober 1843 von einigen deutsch-jüdischen Einwanderern in New York gegründet worden, auch aufgrund der Erfahrung antisemitischer Ausgrenzung. Der B’nai B’rith Orden existiert bis heute mit jüdischen Logen weltweit.  

Die Frankfurter Loge sollte im Sinne von B’nai B‘rith Zentrum jüdischen Lebens und jüdischer Wohltätigkeit sein, was sich auch in ihrem Wahlspruch zeigte; „Wohltätigkeit, Bruderliebe und Eintracht“. Sie fungierte als Anknüpfungspunkt jüdischen Gemeindewesens weit über Frankfurt hinaus für den Süden und Westen des deutschen Reichs. Zugleich waren die Anfangsjahre der Loge geprägt von der Abwehr antisemitischer Angriffe.

In der Sammlung Frankfurt der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main findet sich ein kleines Konvolut bestehend aus fünf Teilen, jeder in einer säurefreien grauen Mappe aufbewahrt. Einladungen, Eintrittskarten, Programme, Lieder, Gedichte und Speisekarten berichten über wöchentliche Sitzungen und Brudermahle. Sie gewähren Einblick in das Logenleben Anfang des 20. Jahrhunderts. Zum Zusammenhalt der Loge und zur Förderung des jüdischen Gemeindewesen wurden Ausflüge und Feierlichkeiten ausgerichtet.  In einem kleinen Umschlag, der handschriftlich, jedoch schwer lesbar, adressiert ist, befinden sich drei Postkarten in unterschiedlicher Druckfarbe – blau, rostrot und schwarz. Sie zeigen das erste Frankfurter Logenhaus, das am 14. September 1902 in der Eschersheimer Landstraße 27 feierlich eingeweiht wurde.

Vitrine zum Motiv Zedaka in der Ausstellung

Die Postkarte präsentiert das Logenhaus in der Totale. Kutschen und Fußgänger*innen passieren das Haus. In einiger Entfernung erkennt man das Eschenheimer Tor. Der Schriftzug unten links hebt die angestrebte Moral der Loge hervor: „Brich den Hungernden dein Brot und den armen Verfolgten führe in dein Haus. Wenn du einen Nackten siehst, bekleide ihn und deinem Fleisch entzieh dich nicht: Dann bricht wie Morgenrot dein Licht hervor und ersprießt du dein Heil.“

Im Laufe der Jahre wurden zahlreiche, soziale Institutionen von der Loge geschaffen oder finanziell unterstützt, so z.B. ein Schwesternheim, das im Ersten Weltkrieg in ein Kriegslazarett umfunktioniert wurde.

Während Männer innerhalb des Ordens vollwertige Mitglieder waren, arbeiteten die Frauen der Loge im Hintergrund. 1903 gründete sich innerhalb der Frankfurt Loge die Frauenvereinigung. Ihr ist innerhalb des Konvoluts eine eigene Mappe gewidmet.  Die Frauen der Loge widmeten sich der Erziehung zur Wohltätigkeit sowie Bildung derer. Erst 1979 erlangten Frauen des B’nai B’rith Ordens die vollwertige Mitgliedschaft.

Am 19. April 1937 wurden die B’nai B‘rith Logen im nationalsozialistischen Deutschland aufgelöst und verboten. Das Vermögen der Logen wurde beschlagnahmt und führende Mitglieder von der Gestapo verhaftet. Damit endete das soziale Engagement der B‘nai B‘rith Logen abrupt. 

Erst 1961 wurde in Frankfurt wieder eine jüdische Loge begründet unter dem Namen B’nai B’rith Frankfurt Schönstädt Loge.

Also, was war das für ein Haus, das 1902 so feierlich eingeweiht wurde?

Es war ein Platz, an dem man sich organisieren konnte, Bruder- und Schwesternschaften schließen. Wohlfahrt (Zedaka) und jüdisches Gemeindewesen (Kehilla) füllten es aus. Die Menschen, die Teil seiner Geschichte sind, veränderten es immer wieder aufs Neue. Es war der Ort, den die Frankfurter-Loge mit Leben füllte. Dies spiegelt das Konvolut wider. Das Haus, das die Postkarte illustriert, existiert nicht mehr. An seiner Stelle steht ein Bürogebäude. Die Schönstädt-Loge nennt heute das Frankfurter Westend ihr zu Hause.

Dieser Beitrag von Carla Malsch entstand im Rahmen des Projektseminars ’17 Motive jüdischen Lebens‘ an der Goethe-Universität Frankfurt am Main im Sommersemester 2021.

Literatur

B’nai B’rith. Frankfurt Schönstädt Loge, 120 Jahre B’nai B’rith Frankfurt Schönstädt Loge. Festschrift anlässlich der Feierlichekiten zum 120-jährigen Jubiläum der B’nai B’rith Frankfurt Schönstädt Loge im Dezember 2009, Frankfurt am Main 2009.

Baeck, A. Goldschmidt, A. Loewenstamm, P. Rosenfeld, Zum 50 Jährigen Bestehen des Ordens Bne Bris in Deutschland, Frankfurt am Main Kauffmann 1933.